Was ist wissenschaftliches Arbeiten?
Viele denken bei wissenschaftlichem Arbeiten an Paragrafenreiterei, aber es steckt viel mehr dahinter: Hier erfährst du warum du überhaupt wissenschaftlich Arbeiten solltest, warum es wichtig für dein Studium ist und welche Qualitätskriterien du immer im Hinterkopf haben solltest.
Ein kulturwissenschaftliches Studium verlangt neugierige Studierende, die eigene Fragen entwickeln. Dieser Wissensdurst ist die Grundlage für ein gelungenes Studium und für wissenschaftliches Arbeiten. Diese Lust auf das Ergründen von Zusammenhängen und das Aufspüren neuer Erkenntnisse macht die Anziehungskraft eines Studiums an einer Universität aus.
Die Freude am Studium stellt sich aber leider nicht immer automatisch ein. Oft ist es schwer die richtigen Techniken mit der eigenen Motivation und Arbeitsbereitschaft zu verknüpfen, denn grau, teurer Freund, ist alle Theorie! Ja warum soll eigentlich die Freude am Studium überhaupt durch ein enges Korsett an Vorgaben geschmälert werden?
Es ist wie in anderen Berufen: Das Erlernen bestimmter Arbeitstechniken, die als ‘wissenschaftlich’ gelten, kann man als Werkzeugkoffer betrachten. Ein Schreiner muss den Umgang mit Hobel und Säge verinnerlichen, erst dann kann er gute Werkstücke bauen. In der Welt der Wissenschaft ist es genauso: Methoden erleichtern die Suche nach Antworten auf vorher formulierte Fragen; besondere Techniken ermöglichen das Auswerten von Quellen. Logisches Argumentieren und wissenschaftliche Beweis- bzw. Nachweisführung sind dabei sehr wichtig, um in der Wissenschaft ernst genommen zu werden. Ein wackliger Stuhl ist ebenso peinlich wie ein auf wackligen Beinen stehender wissenschaftlicher Text.
Forschendes Lernen
Von Beginn an Wissenschaft mitgestalten
Wissenschaftliche Fragen nehmen weder Antworten vorweg noch geben sie die zu ihrer Bearbeitung notwendigen Methoden vor. Wissenschaftler*innen müssen also auch auf überraschende Ergebnisse vorbereitet sein, die ihren Hypothesen (begründeten Vermutungen) widersprechen.
Wissenschaftliche Hypothesen werden immer aus vorausgegangenen Untersuchungen abgeleitet, sie sind also begründete Vermutungen für ein bestimmtes Ergebnis. Besonders spannend wird es, wenn dadurch die in einem Gebiet gewonnenen Erkenntnisse ausgeweitet werden können. Damit gelangt man in die aufregende Position, vorhandenes Wissen zu verändern, also zu widerlegen, zu erweitern oder einzuschränken.
Was das für dich bedeutet, zeigt der Zyklus forschenden Lernens:
Er illustriert eine spannende Veränderung in didaktischen Ansätzen, die so erst seit den 70er Fuß fasste und auch in Oldenburg aktuell ganz oben auf der Liste steht: Dir soll es in diesem Model bereits während des Studiums ermöglicht werden Beiträge zur Wissenschaft zu leisten. Also nicht Frontaluntericht garniert mit auswendig lernen, sondern aktiv die Lehre mitgestalten.
Reflektieren
Du lernst aktuelle Forschungsergebnisse kennen und erwirbst und reflektierst Wissen. Mit jeder neuen Arbeit wiederholt sich dieser Prozess.
Erfahren
Du entwickelst eine Fragestellung. Diese baut auf deiner aktuellen Wissensgrundlage auf. D. h. je öfter du den Zirkel durchläufst, desto eigenständiger und komplexer werden deine Fragen.
Mitgestalten
Du gewinnst Erkenntnisse, die zum Stand der Forschung beitragen können. Mit ein bisschen Mut und Neugierde kann das schon in deiner ersten Hausarbeit so sein.
Natürlich hat dies auch seinen Preis:
Die Umsetzung des Modells “Forschendes Lernen” verlangt mehr Engagement und Motivation von Lehrenden und Studierenden: Im Seminar treten Lehrende als Lernbegleiter auf, nicht als Oberlehrer, die stur “Fakten” vorbeten. Studierende müssen aber gleichzeitig bereit sein Zeit zu investieren und eigenständig zu recherchieren und ihr Wissen zu erweitern. Das macht Spaß und bereitet dich auf verschiedene Berufsfelder vor:
Die Bereitschaft sich stets fortzubilden, flexibel zu Denken und Aufgaben aktiv und selbstbewusst zu übernehmen, sind in der Wissenschaft und auch in der Privatwirtschaft unabdingbar.
Wenn du also schon ab dem 1. Semester wissenschaftlich Arbeiten sollst, brauchst du natürlich deinen Werkzeugkoffer, den wir in diesem Online-Kurs, Tutorien und Werkstattseminaren langsam füllen.
Qualitätskriterien
Best Practise wissenschaftliches Arbeiten
Was macht gutes wissenschaftliches Arbeiten aus?
Die folgenden Qualitätskriterien wissenschaftlichen Arbeitens geben dir ein Grundverständnis worauf du während deines Studiums immer achten solltest; egal ob Kurzreferat, Forschungsdesign, Seminar- oder Abschlussarbeit.
Höflichkeit
Jeder Beitrag zum wissenschaftlichen Diskurs sollte mit Respekt behandelt werden: Er ist das geistige Eigentum des Autors oder der Autorin. Bei einem peer-review sollte konstruktive Kritik geäußert und Stärken und Schwächen gegenübergestellt werden.
Zuverlässigkeit
Bei wissenschaftlichen Versuchen in den Naturwissenschaften muss jede Wiederholung zum gleichen Ergebnis führen. Das nennt man „Zuverlässigkeit“ oder um ein Fachwort zu bemühen: „Reliabilität“. Wie sieht es in den Kulturwissenschaften aus? Eine Arbeit ist dann reliabel, wenn eine Wiederholung des „Versuchs“ überhaupt möglich ist. Alle Schritte einer Analyse müssen entsprechend genau dokumentiert und Arbeitsweisen detailreich geschildert werden. Also z. B. wie, wo, wann und warum wurden Interviews durchgeführt?
Gültigkeit
Gültigkeit bezieht sich auf die verwendeten Ressourcen, z. B. Texte oder Bildquellen. Du musst dich immer fragen „Sind diese als Grundlage für mein Argument geeignet“? Ist der Autor wissenschaftlich anerkannt? Ein Buch kann heute ja jeder herausgeben. Ist dein Text aktuell? Ein Buch über Körperbilder aus den 80er hat sicherlich historischen Wert, aber es spiegelt nicht aktuelle Forschungsdebatten wieder.
Verständlichkeit
Wenn du eine Seminararbeit schreibst, dann sollte deine Argumentation nachvollziehbar sein. Darum geht es bei „Verständlichkeit“. Du brauchst einen erkennbaren roten Faden. Eine verständliche Satzstruktur hilft natürlich auch. Wissenschaftliche Begriffe müssen definiert und Fachwörter sinnvoll eingesetzt werden. Worthülsen solltest du vermeiden.
Ehrlichkeit
Was macht eine wissenschaftliche Arbeit ehrlich? Du stellst deine Position und die der zitierten Autoren klar dar, d. h. du darfst z. B. den Sinn eines Zitats durch Auslassungen nicht entstellen. Bei Zitaten und Paraphrasen respektierst du das geistige Eigentum anderer Menschen. D. h. du gibst bei fremden Ideen immer einen Beleg an, sonst kann es schnell zu einem Plagiatsvorwurf kommen!
Überprüfbarkeit
Es muss in einer wissenschaftlichen Arbeit immer möglich sein die verwendete Literatur, Bildquellen, Objekte und auch nicht-publizierte Werke wiederzufinden. Wie macht man das? Du kannst zum Beispiel „Fußnoten“ setzen. Die geben an, wo du Informationen gefunden hast: Autor, Titel, Seite oder Ort und ggf. Link.
Relevanz
Deine Arbeit sollte ein Thema behandeln, dass für die aktuelle Forschung interessant ist. Also nicht ein bereits bis in jede Ecke erforschtes Gebiet. Dein Arbeitsprozess wäre auch sehr langweilig, wenn deine Fragestellung in der Literatur bereits beantwortet wurde. Eigene Ergebnisse gäbe es ja dann keine!
Objektivität
Ein wissenschaftlicher Text sollte stets sachlich sein und überprüfbar. Der heilige Gral wäre vollständige Objektivität. Allerdings ist das unmöglich, denn jeder Text ist durch den/die Autor*in gefärbt und daher auch immer aus einer bestimmten Perspektive verfasst. Stattdessen sollte immer der eigene Standpunkt überprüft und ein Abstand dazu hergestellt werden. Subjektive Ansichten solltest du deutlich kennzeichnen und nicht hinter neutralen Formulierungen verstecken.
Originalität
Du sollst stets neue Fragen stellen und kreativ sein. Auch bereits existierende Studien und Themen können so „neu aufgerollt“ werden: andere Methoden und neue Perspektiven bringen frischen Wind in die Sache!
Nachvollziehbarkeit
Klingt wie Verständlichkeit oder Überprüfbarkeit, hier geht es aber darum, dass deine Arbeit eine logische Gliederung hat, deine Fragestellung nachvollziehbar ist und du deine Vorgehensweise klar erläuterst.