Umgang mit Objekten

Von rohen Eiern und Elefanten im Porzellan­laden
Behutsam öffnet die Wissen­schaftlerin eine Kiste. Ihre weißen Hand­schuhe ver­schwinden kurz im Be­hältnis und kommen langsam wieder daraus hervor. In den Händen hält sie den sagen­umwoben­en, zer­brochenen Kelch…
Ver­mutlich haben fast alle einmal eine solche Szene in einem Spiel­film oder einer Doku­mentation gesehen. Die Bot­schaft ist klar: der Um­gang mit wert­vollen Originalen erfordert eine achtsame Vor­gehens­weise. Aber: Müssen tat­sächlich alle Sammlungs­objekte „mit Samt­hand­schuhen“ ange­fasst werden?
Die Wirklich­keit ist, wie so oft, etwas komplexer. Auch wenn Museen und Uni­versitäts­sammlungen selten den Schatz­kammern der Holly­wood-Filme ent­sprechen, be­finden sich hier tatsächlich sehr viele empfind­liche Objekte.

Und selbst wenn sie gar nicht so empfindlich aus­sehen: Um sie lang­fristig für Forschung, Lehre und Aus­stellungen zu be­wahren, müssen einige Vor­kehr­ungen ge­troffen werden. Dafür braucht es jedoch nicht in jedem Fall die besagten Hand­schuhe. Heute ver­folgen Museen und Sammlungen das Ziel der “präventiven Konser­vierung”. Hierbei geht es darum, die Um­gebungs­bedingungen der Objekte so zu ver­bessern, dass Schäden schon im Vor­hinein ver­mieden werden können, ohne dass ein Ein­griff direkt am Objekt vor­genommen werden muss. Je nach Material gibt es dabei unter­schiedliche Dinge zu be­achten, einiges ist jedoch bei allen Objekten ähnlich. Im Folgenden haben wir deshalb die „10 Gebote der präventiven Konser­vierung“ (nach Bollmann, 2017) zusammen­gestellt.

1. Du sollst eindeutige und gut lesbare Inventarnummern anbringen

Inventar­nummern sind sehr wichtig um Objekte eindeutig identi­fizieren zu können. Wer kann schon hundert ver­schiedene Ton­scherben aus­einander­halten und sagen, aus welcher Aus­grabung sie stammen? Die Be­schriftung sollte dabei ohne Schäden reversibel, gleich­zeitig jedoch beständig, also zum Beispiel abrieb­fest sein. Außer­dem sollte sie gut lesbar und leicht auf­zufinden, bei der Präsentation des Objektes jedoch nicht sichtbar sein. Alle losen Einzel­teile, sowie die Ver­packung werden be­schriftet. Die Be­schriftung kann je nach Objekt ent­weder direkt am Objekt an­gebracht werden oder auf einem Träger, der fest mit dem Objekt ver­bunden ist. Etiketten sollten dabei aus aus­dünstungs­freiem Kunst­stoff sein und mit einem eben­solchen Faden befestigt werden, da Baum­wolle und Papier Luft­feuchtig­keit an die Objekte bringen können.

2. Du sollst Objekte vorsichtig handhaben, je nach Material mit sauberen Händen oder Handschuhen

Wenn du Original­objekte an­fasst, sollten deine Hände stets sauber sein. Bei vielen Materialien sind Hand­schuhe ge­boten, vor allem bei Metallen, da diese durch den Fett­film der mensch­lichen Haut an­gegriffen werden. Wichtig ist, Objekte möglichst wenig zu berühren und zu be­wegen. Falls es not­wendig ist, sind sie mit beiden Händen anzu­heben und nie an vor­handenen Henkeln. Textilien sollten nie an nur einer Stelle an­gehoben oder auf­gehängt werden und bei der Lagerung aus­gepolstert werden, um Knicke zu ver­meiden.

3. Du sollst Objekte mit größter Vorsicht transportieren

Die Objekte sollten in Kisten oder Kartons trans­portiert werden. Bei Klima­schwankungen sollten sie ein­gepackt werden. Es ist wichtig, den Weg vorher frei­zuräumen oder eine Begleit­person mit­zunehmen, um Türen zu öffnen. Sammlungs­objekte können recht schwer sein und eine Selbst­über­schätzung kann fatale Konse­quenzen für das Objekt und den eigenen Rücken haben. Die eigenen Kräfte sollten darum realistisch ein­geschätzt und große oder schwere Objekte ent­sprechend trans­portiert werden.

4. Du sollst Objekte vor Schädlingen schützen

Sammlungs­objekte können von ver­schiedenen Schäd­lingen be­fallen werden, wie beispiels­weise Kleider­motten, Museums­käfern und Holz­würmern. Schädlings­prävention ist deshalb sehr wichtig. Um die Gesund­heit von Be­sucher*innen, Personal und auch die Objekte zu schützen, sollten dabei keine Chemikalien ver­wendet, sondern der Ansatz des “Inte­grated Pest Manage­ments” gewählt werden. Dazu können Objekte bei der Auf­nahme in die Sammlung mehr­fach ein­gefroren und wieder auf­getaut werden um den Ein­zug von etwaigen Mit­bewohnern zu ver­meiden. Danach ist regel­mäßiges Monitoring wichtig, um einen Befall möglichst schnell zu er­kennen ( z.B. Motten­fallen). Be­fallenes sollte dann schnellst­möglich isoliert und be­handelt, beispiels­weise begast oder mit Nützlingen wie Schlupf­wespen besetzt werden. Zudem ist es wichtig, dass du dich beim Um­gang mit älteren Objekten auch selbst schützt. Gerade bei aus­gestopften Tieren wurden früher hoch­giftige Substanzen ver­wendet, um die Objekte vor dem Ver­fall zu schützen.

5. Du sollst Objekte vor Licht schützen

Die meisten Objekte reagieren empfindlich auf (Sonnen-)Licht. Sie können aus­bleichen, ver­gilben oder ver­spröden. Dies ist vor allem bei Papier, Kunst­stoff, Holz und Textilien der Fall. Darum sollten Sammlungs­objekte vor direktem Sonnen­licht ge­schützt werden. Auch gibt es Möglich­keiten des UV- oder Infra­rot-Schutzes, die genutzt werden können, zum Beispiel Schutz­folien vor den Fenstern oder Lampen mit an­gepasstem Licht­spektrum.

6. Du sollst Objekte bei kühlen Lufttemperaturen lagern und plötzliche Temperaturschwankungen vermeiden

Objekte sollten eher kühl ge­lagert werden, da bei höherer Luft­temperatur bio­logische und chemische Pro­zesse schneller ab­laufen. Zudem ist die relative Luft­feuchtig­keit je nach Temperatur unter­schiedlich. Unter anderem deshalb sind plötzliche Temperatur­schwank­ungen schädlich für Objekte und sollten ver­mieden werden. Für Trans­porte können Objekte deshalb gegebenen­falls in spezielle Klima­boxen ver­packt werden.

7. Du sollst Wege finden, Objekte ansprechend und gleichzeitig sicher aufzustellen

Wenn Objekte ihren Weg aus den Sammlungen in eine Aus­stellung ge­funden haben, sollten sie dort nicht nur an­sprechend, sondern auch sicher präsentiert werden. Dies bezieht sich einer­seits auf Schutz vor Dieb­stahl und Vanda­lismus, anderer­seits auf konser­vatorische Aspekte. Zu beachten sind beispiels­weise der Abstand zu Außen­wänden, Nutzung von säure­freiem Passe­partout, Rutsch­sicher­ungen und gegebenen­falls Halter­ungen. Vorsicht ist auch geboten bei der Be­leuchtung, auf­grund der Hellig­keit und Wärme­ent­wicklung, die den Objekten schaden können. Außer­dem dürfen Objekte nicht durch ihr Eigen­gewicht be­lastet werden und Textilien nur ohne Knicke und Falten aus­gestellt werden. Neben all diesen Punkten ist weiter auch die gute Sichtbar­keit der Objekte zu beachten, die beispiels­weise durch Schatten­wurf oder Licht­reflexion­en ein­geschränkt sein kann.

8. Du sollst Objekte in säurefreien Verpackungen aufbewahren

Säuren, die in den meisten modernen Papieren ent­halten sind, lassen nach einiger Zeit das Papier verfallen. Durch so­genannte Säuren­wanderung können auch Objekte ge­schädigt werden, die in säure­haltiges Papier ein­gelagert wurden. Darum sollten Ver­packungen von Objekten stets säure­frei sein, ins­besondere bei Papier, Textilien und Metall. Sie sind (leider nicht sehr kosten­günstig) im Spezial­handel zu er­werben.

9. Du sollst Objekte vor Staub und Schmutz schützen

Wir alle kennen die dicken Staub­schichten, die sich zu Hause manchmal auf wenig genutzten Gegen­ständen ab­lagern. Bei der lang­fristigen Auf­bewahrung von Objekten können Staub und Schmutz jedoch dauer­hafte Ver­unreinig­ungen und Schäden hervor­rufen und sie wirken ver­stärkend auf alle Zerfalls­prozesse. Bei Luft­ver­schmutzung können Luft­filter von­nöten sein. Objekte sollten regel­mäßig mit den richtigen Materialien und sehr um­sichtig ge­reinigt werden und, um ein­gelagerte Objekte vor Staub zu schützen, sollten sie ver­packt werden.

10. Du sollst Objekte vor viel Feuchtigkeit und zu großer Trockenheit schützen

Für Objekte können sowohl zu große Trocken­heit als auch zu hohe Feuchtig­keit schäd­liche Folgen haben. Da organische Materialien meist eine ge­wisse Wasser­menge ent­halten, wird ihnen bei zu niedriger Luft­feuchtig­keit Wasser ent­zogen und sie können schrumpfen, sich ver­ziehen oder reißen. Um­gekehrt erhöht eine hohe Luft­feuchtig­keit das Risiko von Schimmel­bildung oder das Wachs­tum von anderen Pilzen und Bakterien oder kann Objekte wie Metall (Korrosion, also z.B. Rost) und Holz (Quellen, Ver­formungen) direkt schädigen. Die relative Luft­feuchtig­keit sollte zwischen 45 und 60% liegen, dabei jedoch möglichst konstant bleiben.

Der Objekt­beforschungs­koffer

Unboxing

Forschungskoffer Oben
Forschungskoffer Unten

Im Institut für Materielle Kultur stehen 10 Forschungs­koffer bereit, die für die Analyse während objekt­basierter Forschungs­projekte genutzt werden können.

Pinzetten

Unter­schiedlich geformte Pin­zetten geben trotz Hand­schuhen das nötige Finger­spitzen­gefühl bei empfind­lichem oder klein­teiligem Material.

Lupe

Jedes noch so kleine Detail kann mit der stark ver­größernden Lupe be­trachtet werden und sorgt für eine allum­fassende Analyse.

Fadenzähler

Mit dem Faden­zähler kann inner­halb einer be­stimmten Fläche eines Stoffes die An­zahl von Kett- und Schuss­fäden bzw. die Web­struktur fest­gestellt werden.

Maßband

Zu einer Objekt­beschreib­ung gehört das genaue Maß­nehmen, welches mithilfe des Maß­bands vor­genommen werden kann.

Skalpell

Das Skalpell hilft bei der Arbeit in einer Lebend­sammlung wie dem botanischen Garten bei der Auf­bereitung frischer Proben.

Baumwollhandschuhe

Um die Objekte vor Be­schädig­ungen oder Ver­schmutz­ungen zu schützen, tragen wir beim Objekt­handling Baum­woll­hand­schuhe.

Messschieber

Bei schwierig aus­zumess­enden Elementen wie Knopf und Knopf­loch gibt der Mess­schieber millimeter­genaue Werte an.

Farbkarte

Bei Foto­auf­nahmen werden die Farb­skalen sowie der Abbildungs­maßstab neben den Objekten platziert und dienen einer detail­getreuen Doku­mentation.

Forschunstagebuch

Ein Forschungs­tage­buch und Doku­mentations­material, um alle Be­obacht­ungen detailliert fest­halten zu können, stellen die Grund­lagen einer erfolg­reichen Analyse dar.

Objekte in der Sammlung Textile Alltags­kultur

Objekthandling

Übungen

Präventive Konser­vierung