Objekt­beschreibung

Scharfe Augen und Finger­spitzen­gefühl
Eine Objekt­beschreibung ist aus zwei Gründen un­erläss­lich. Zum einen er­möglicht sie die ein­deutige Identi­fizierung eines Objekts, da auch dessen Schad­stellen fest­gehalten werden. Bei einem regel­mäßigen Ver­gleich von Objekt und Objekt­beschreib­ung lassen sich so auch Ver­schlechter­ungen des Erhaltungs­zustandes durch sub­optimale Lagerungs­beding­ungen er­kennen. Zum anderen ist sie der erste Schritt zur Objekt­beforschung, da der Gegen­stand im Prozess der Be­schreibung im Gegen­satz zu einer schnellen rein foto­grafischen Dokumenta­tion genauestens be­trachtet wird und sich aus dieser Be­trachtung erste Forschungs­fragen er­geben.

Objekt­beschreib­ungen können, je nach Fach­kultur, auf ver­schiedene Weisen an­gelegt sein. Grund­sätzlich gilt es dabei jedoch immer zu be­achten, dass systematisch vor­gegangen wird (z. B. durch ein Be­schreiben von der groben Form zu den Details) und dass den Lesenden das genaue Vor­gehen auch er­läutert wird.

Außer­dem müssen Maße be­nannt werden, damit der*die Leser*in der übrigen Be­schreibung folgen kann. Es gilt zudem zu berück­sichtigen, dass es für jede Objekt­gattung hoch­spezifisches Voka­bular gibt, das bei einer wissen­schaft­lichen Objekt­be­schreibung un­bedingt zu ver­wenden ist. Als Hilfs­mittel dienen hier zum Beispiel Fach­thesauri und Be­stimmungs­schlüssel.

Die Be­schreibung des Zu­stands kann in die Objekt­be­schreibung inte­griert oder selbiger ange­hängt sein. Hier werden Schad­stellen und Nutzungs­spuren fest­gehalten. Für die Objekt­forschung kann dies ein wichtiger Aus­gangs­punkt sein, da sich aus den Spuren Schlüsse auf Besitzer*in, An­passungen und Ver­wendung ziehen lassen. Beinahe noch wichtiger ist die Be­nennung von (alten) Be­schriftungen und Inventar­nummern, hieraus lassen sich Sammlungs­geschichte und Provenienz nach­voll­ziehen. Die Schad­stellen­be­schreibung und auch eine Zeichnung sind für die Konser­vierung wichtig, damit z.B. Fraß­spuren bei einem Be­fall von Nutzungs­spuren zu unter­scheiden sind. Zu­sätzlich sollte eine Zeichnung mit den ent­sprechenden Stellen ange­fertigt werden.

Über Kleinig­keiten zum großen Ganzen

Objekt­beschreibung in der Praxis

Mantel Skizze

Erste Daten zum Objekt

Objekt­name, Inventar­nummer, Objekt­typ (Objekt­klassi­fikation nach Thesaurus)

Mögliche Systematik

Nach­einander einzelne Kriterien be­schreiben, nach Richtung z.B. von oben nach unten

Farbe

Farben (blass, hell, dunkel, changierend, Kontraste, ein­farbig, mehr­farbig, glänzend, matt, leuchtend etc.)

Mustererzeugung/ -beschreibung

Flächen­bildung, Ver­arbeitungs­technik
(biegsam, blick­dicht, dick, form­bar, hart, weich, metallisch, steif, grob­maschig, fein­maschig, genäht, gestrickt, geklebt, hand­gefertigt, industrielle Fertigung etc.) und Motiv­nennung und -beschreibung (Ikono­grafie?)

Physische Eigenschaften

Anzahl Teil­stücke, Material, Maße, Gewicht, Konfektions- oder Schuh­größe, Geruch, Nennung + Anzahl Zutaten (Reiß­ver­schlüsse, Knöpfe etc.), Etiketten­beschriftung etc.

Zustand

Gebrauchs­spuren, Flecken, Form­veränder­ungen, Risse, Löcher, Motten­löcher, Aus­bleichungen, Korrosion, Maschen­fehler, Pilling, Ver­gilbungen, Dreck, ver­staubt, brüchig, Abrieb, heraus­stehende Nähte, Erhaltungs­zustand, Nutzungs­stufe (Leih­bedingungen)

Visualisierung

Foto auf­nehmen, Zeichnung an­fertigen

Zuschreibung

männlich, weiblich, divers, Kind etc.

Objektbiografie

Objekt­biografie Spender*in (Kauf­zeit, Kauf­preis, Kauf­grund, Trage­aktivität, Informationen zu Dress­bestand­teilen, Emotionen etc.)
Designer*in, Her­steller*innen, Ver­treiber*innen (inklusive Standorte)

Weiteres

Standort der Sammlung, besondere Be­dingungen der Auf­bewahrung, Stand der Restaurierung, Pflege­hinweise, Zerti­fizierung, Sekundär­objekte (Schnitt­muster, Zeitungs­ausschnitte o.ä.) Literatur­angaben, etc.
Hier Details und ein Bei­spiel zur Objekt­beschreib­ung aus der Sammlung Textile Alltags­kultur. Vieles davon lässt sich jedoch auch auf andere Samm­lungs­gruppen über­tragen!
Zu­nächst wird die korrekte Objekt­be­zeichnung für das Textil auf Basis des Thesaurus der STAK und des Bild­vokabulars „Fashion­pedia“ be­stimmt. An­hand dieser Hilfs­mittel kann den Lesenden die Grund­form des Objektes ein­heitlich und ver­bindlich ver­mittelt werden. Etwaige Ab­weichungen von den Vergleichs­abbildungen werden eingangs ver­balisiert. Danach erfolgt eine Auf­nahme der Gesamt­maße. Sollten Material, Farbe und Muster ein­heitlich sein, können diese auch zu Beginn be­nannt werden, Ab­weich­ungen dann an passender Stelle. Nun geht die Be­schreibung ins Detail über:
Material und Bindungs­art, Muster­erzeugung und Zu­taten wie Ver­zierung/Schmuck, Ver­schlüsse, Ver­arbeitung/Nähte, Falten, Säume und Taschen werden be­schrieben, ver­maßt und in ihrer Position am Textil be­schrieben (relativ zu anderen Elementen und mit Abstands­maßen).

Ab­schließend werden Nutzungs­spuren und Schäden separat zu­sammen­gefasst. Ins­gesamt muss die Detail­beschreibung durch Zwischen­über­schriften ge­gliedert sein und einer Logik folgen, bspw. einer Richtung: von oben nach unten/ von rechts nach links/ von außen nach innen/ Vorder- und Rück­seite nach­einander oder die einzelnen ge­nannten Aspekte/ Merkmale ab­arbeitend.

Mit der nach­folgenden Übung kannst du selbst aus­probieren, ein Objekt zu zeichnen. Du fragst dich, was für ein Objekt das sein könnte? Die Lösung findest du gleich im An­schluss.

Ihr Titel

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Auflösung

Nackenkissen

Der Thesaurus

oder: wie heißt das noch gleich?

In einer Sammlung arbeiten über lange Zeit diverse Personen aus ver­schiedenen Regionen mit unter­schiedlichem Vor­wissen und daher unter­schiedlichen Be­zeichnungen für Dinge. Hinzu kommt, dass bspw. Kleidung nach unter­schied­lichen Kriterien benannt werden kann: z.B. Funktion (Arbeits­hose), Anlass (Tauf­kleid), Material (Cord­hose), Länge (3/4-Hose), Muster (Nadel­streifen­anzug) usw. Um zu gewähr­leisten, dass eine Daten­bank sinnvoll durch­sucht und Objekte wieder auf­gefunden werden können, braucht es deshalb ein­heitliche und personen­unab­hängige Be­zeichnungen. Dies kann durch einen sogenannten Thesaurus gewähr­leistet werden.

Ein Thesaurus ist ein Schlag­wort­verzeichnis von fest­gelegten Ding-Be­zeichnungen, die eine Systematik für Objekte des Sammlungs­gebiets bilden. Der Thesaurus ist in Kate­gorien bzw. nach Ober­begriffen gegliedert.

Zur Spezi­fizierung wird diesen eine Viel­zahl von Unter­begriffen zu­geordnet, diesen ist meistens keine Be­schreibung bei­gefügt, häufig aber eine Abbildung/Skizze. Für präzise Be­zeichnungen von Objekten kann deshalb unter anderem im Thesaurus recher­chiert werden.

In der STAK wird ein eigens an­gefertigter Thesaurus, in Ver­bindung mit der inter­national ver­ständlichen Fashion­pedia, ver­wendet. Die Übertrag­barkeit in andere Sprachen löste Walter Trachsler in der von ihm ent­worfenen und bis heute viel ver­wendeten „Systematik kultur­historischer Sach­güter“ durch die als Kürzel funktionier­ende Be­zifferung. So wie Trachsler seine Systematik nach anderthalb Jahr­zehnten nicht ver­voll­ständigen konnte, bedarf jeder Thesaurus stetiger Über­arbeitung, besonders wenn Sammlungen Gegen­warts­kultur akqui­rieren oder neue Er­kenntnisse ge­wonnen werden.

Beispiele für Fachthesauri:

Fashionpedia

Fashionpedia the visual dictionary of fashion design. Fashionary International Ltd, Hong Kong 2018.

Trachsler: Systematik kulturhistorischer Sachgüter

Trachsler, Walter: Systematik kulturhistorischer Sachgüter. Eine Klassifikation nach Funktionsgruppen zum Gebrauch in Museen und Sammlungen, Bern 1981.

Asso­ziative Zu­gänge

Kaffee­klatsch unter Objekten?

Objekt­beschreibung, sorg­fältig recher­chierte Objekt­biografie und eine Recherche zu flankier­endem Quellen­material sind zwar die Basis der wissen­schaft­lichen Aus­einander­setzung mit Objekten, es lohnt sich jedoch auch, die Dinge mal aus einer anderen Per­spektive zu betrachten. Durch eher asso­ziative Schreib­übungen fallen vielleicht ganz andere Aspekte an einem Gegen­stand ins Auge. Schreibt man eine fiktive Bio­grafie zu einem Objekt, lässt mehrere Objekte mit­einander ins Gespräch kommen oder ent­wickelt ein Profil für eine Online-Single­börse für sein Objekt, macht das nicht nur Spaß, sondern regt auch zur Reflexion eigener Wertungen und Zu­schreibungen an.
Ver­schiedenste Asso­ziationen können aus­gelöst werden, die wieder­um zu neuen Forschungs­fragen führen können.

Im Folgenden kannst du dich durch ein paar Texte und Clips inspirieren lassen, die in den letzten Jahren in Seminaren in der Sammlung für Textile Alltags­kultur ent­standen sind.

Merle Strudthoff, im Rahmen der Lehr­ver­anstaltung „Sammlungen be­schreiben“ im WiSe 16/17 mit freundlicher Ge­nehmigung durch die Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG.
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