Der Schreibprozess

Hier findest du eine Über­sicht gängiger Text­sorten, Tipps für deine Gliederung und zum Schreiben all­gemein. Wir zeigen dir auch, warum es wichtig ist deinen Texten selbst­kritisch und reflek­tiert zu be­gegnen.
Bevor du dich ans Schreiben machst, musst du die Text­form fest­legen. Diese kann je nach Modul vor­gegeben sein oder in Ab­sprache mit den Dozierenden frei gewählt werden.

Informa­tionen dazu erhältst du durch deine Dozierenden, in der jeweiligen Modul­beschreibung oder auch in der für dich gültigen Prüfungs­ordnung.

Doch welche Text­sorten er­warten dich im akademischen Bereich und wie sehen diese aus? Es folgt eine Auf­stellung gängiger Text­sorten mit ge­lungenen Bei­spielen aus dem studen­tischen Alltag deiner Kommilitonen und Kommiliton­innen.

Aufbau wissen­schaftlicher Texte

Vom Woll­knäuel zum roten Faden

Die fertig ent­wickelte Frage­stellung, ver­sponnen mit den recher­chierten und vor­läufig analysierten Quellen, bildet nun unser “Knäuel”, von dem wir den roten Faden in unserer Haus­arbeit ab­wickeln möchten.

Natürlich soll sich der Leser nicht ver­heddern. Das kann leicht ver­hindert werden, indem man eine Gliederung für seine Arbeit anlegt: Dort legst du dich inhaltlich fest und ent­scheidest die Ab­folge der Inhalte, du gibst also eine Struktur vor. Nicht nur für den Leser, auch für dich: Wenn du einem Schnitt­muster für eine Bluse folgst, soll am Ende ja nicht doch noch eine Hose daraus werden.

Außer­dem ist eine Gliederung wunder­bar, um sie Lehrenden in einer Sprech­stunde vor­zulegen.

Häufig wird sie dann ge­meinsam be­sprochen und ab­gesegnet. Die Gliederung ist also nach der Frage­stellung die “zweite Sicherheits­leine” vor dem eigent­lichen Schreiben.

Damit das klappt, ist es zunächst wichtig aussage­kräftige Glieder­ungen zu formulieren. Schlicht “Ein­leitung, Haupt­teil, Schluss” ist zwar richtig, hilft dem Dozierenden aber nicht zu ent­scheiden, ob das eine gute Arbeits­weise ist. Die Gliederung muss einem deutlich erkenn­baren Plan ent­halten, indem Über­schriften prägnant formuliert und Kapitel­inhalte klar um­rissen sind.

Was soll und muss eine Gliederung – ab­gesehen von für dein Thema spezifischen Punkten – be­inhalten?

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Tipp

Glieder­ungen werden nach folgendem Muster nummer­iert: 1, 1.1, 1.2 und 2, 3, 3.1, 3.2. Es ist also möglich „Haupt­kapitel“ und „Unter­kapitel“ fest­zulegen. Wichtig ist, dass ein Unter­kapitel nie allein stehen darf also keine 1.1, wenn es keine 1.2 dazu gibt.
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Einleitung

  • Welche Frage wird be­arbeitet?
  • Warum ist die Frage interessant?
  • Was ist das über­geordnete Problem dieser Frage?
  • Was ist dazu bereits erforscht und diskutiert worden?
  • Wie ist der Stand der Forschung?
  • Wie/ Mit welchen Mitteln soll die Frage be­antwortet werden?
  • Welche theoretischen und methodischen Ansätze werden ver­wendet, um die Frage
    zu be­antworten?
  • Welche Quellen liegen der Analyse zugrunde?
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Hauptteil

  • Analyse der Quellen
  • Argumentation
  • Ergebnisse
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Schluss

  • Wie lässt sich das Ergebnis zusammen­fassen?
  • Welcher Bei­trag wurde zur Beantwortung der Ein­gangs­frage geleistet?
  • Was ist beantwortet, was nicht?
  • Warum ist die (Teil-)Antwort interessant oder gar relevant?
  • Welcher Teil der Frage ist offen ge­blieben und ggf. warum?
  • Welche weiteren und neuen Fragen er­geben sich?
Der Schluss ist die Krönung der Arbeit! Hier wird im Regel­fall noch einmal zusammen­gefasst, was die Arbeit aus­macht und welchen Beitrag sie leistet. Daher bietet es sich an, noch einmal gründlich die Ein­leitung zu lesen und auf alle Punkte noch einmal zurück­zukommen.

Allerdings geht es nicht darum die Ein­leitung wieder­zukäuen. Auf­bauend auf deiner anfänglichen Frage­stellung und den inhaltlichen Kapiteln ist es dir nun möglich deine Frage zu be­antworten.

Genau darum geht es in deiner Arbeit: Du stellst eine Frage, lieferst Material zur Be­antwortung deiner Frage und formulierst im Schluss­teil deine Antwort.

Natürlich kann es im Forschungs­prozess dazu kommen, dass sich neue weiter­führende Fragen er­geben oder du die anfängliche Frage nicht all­umfassend be­antworten kannst. Dann bietet sich ein letzter Abschnitt: “Ausblick” an.

Die vielen Schritte des Schreib­prozesses

Wissen, wie man schreibt

Das Schreiben beginnt eigentlich schon während wir uns beim Lesen der Forschungs­literatur Notizen machen oder Quellen analysieren. In fast allen Fällen ist es bereits in dieser Phase hilfreich eine – wenn auch vor­läufige – Gliederung zu er­arbeiten. Sie hilft dir dabei den roten Faden nicht aus den Augen zu ver­lieren und erlaubt es dir Ordnung in deine Notizen zu bringen.
Du kannst beispiels­weise deine Exzerpte ver­schiedenen Kapiteln zu­ordnen oder auch bereits Zitate an­ordnen. Wenn du dann auch noch mit Kaffee oder Tee an einem ge­mütlichen Arbeits­platz sitzt, kann die Arbeit am Text los­gehen.
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Tipp

Es kann für den späteren Schreib­prozess helfen, deine Ein­leitung zuerst zu schreiben, da sie das Thema klar ein­grenzt und eine Struktur vorgibt. Wenn du während des Arbeitens den Fokus verlierst, kannst du immer die Ein­leitung zur Hand nehmen und dich fragen “Was wollte ich nochmal?”
Wenn der letzte Tee­beutel auf­gebraucht und die vierte Kanne Kaffee geleert wurde, dann ist zumeist auch die erste Fassung der Arbeit fertig. Jetzt kommt die Über­arbeitung und diese ist sehr wichtig! Wie bei einem rohen Diamant kann hier mit dem richtigen Fein­schliff ein viel besseres End­ergebnis ent­stehen: Ist das Sprach­niveau für dein Publikum an­gemessen?
Ist die Argumentation bis zum Ende nach­vollziehbar? Werden alle ver­wendeten Begriffe aus­reichend erläutert oder de­finiert? Oft lohnt es sich auch “Fremd­leser” hinzu­zuziehen, um das Risiko der eigenen “Betriebs­blindheit” zu umgehen.
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Tipp

Es funktioniert gut, die eigene Haus­arbeit zwei Wochen ruhen zu lassen und dann erneut zu lesen. Die Zeit reicht aus, um sich an das Ge­schriebene nicht mehr im Detail zu erinnern. So lesen wir dann beinahe un­befangen und können wunder­bar unsere eigene Argumentation korrigieren.
Der letzte Schritt ist dann die formale Korrektur, also das Über­arbeiten des Deckblatts, der Fuß­noten und vor allem der Recht­schreibung! Recht­schreibung mag neben­sächlich er­scheinen, aber du möchtest sicherlich einen pro­fessionellen Ein­druck bei deinen Lehrenden hinter­lassen. Eine inhaltlich hervor­ragende Arbeit verliert durch solche Fehler schnell an Glaub­würdigkeit:
Wie sorg­fältig war der Student*in bei der Quellen­arbeit, wenn es schon bei der Recht­schreibung hapert? Also schnell mit einem Germanisten oder einer Germanistin an­freunden, die immer lesende beste Freundin oder den be­lesenen Freund fragen, Mama oder Papa konsultieren oder eine Agentur be­zahlen. Ganz egal, Haupt­sache es schaut immer ein/e qualifizierte/r Leser/in drüber.
Der Schreibprozess

Subjektivität als Methode vs. inter­subjektive Über­prüfbarkeit

Selbst­kritisch und re­flektiert arbeiten

Wissen­schaftliches Arbeiten unterscheidet sich von per­sönlichen Ein­schätzungen dadurch, dass die Argumentation­en sachlich und über­prüfbar sein sollen. Früher war daher ‘Objektivität’ das höchste Ziel von Wissen­schaft. Mittler­weile wird in den Kultur- und Sozial­wissenschaften be­zweifelt, ob solch eine ‘Objektivität’ über­haupt möglich ist, dennoch hat die inter­subjektive Über­prüfbarkeit höchsten Stellen­wert.
Scheinbar ‘selbst­verständliche’ oder ‘natürliche’ Ge­geben­heiten solltest du stets kritisch hinter­fragen, um damit Distanz zu den eigenen ge­wohnten Annahmen und Wahr­nehmungs­weisen zu schaffen. Nur so ist es möglich beispiels­weise Auf­fassungen und Verhaltens­weisen anderer zu ver­stehen.

Daher ist es wichtig dar­zulegen, wo du be­züglich der Frage­stellung ‘stehst’, d. h.:

Icon Stichpunkt
  • wie du gesell­schaftlich verortet bist.
  • was du warum per­sönlich wissen willst.
  • aus welcher Per­spektive du wahr­nimmst, sprichst und schreibst.
In vielen An­leitungen zum wissen­schaftlichen Arbeiten findest du pauschale Aus­sagen, dass du Ich-Formulierung­en ver­meiden sollst, weil diese nicht objektiv seien. Sicher ist ein Text, der nur aus per­sönlichen Ein­schätzungen besteht, keine wissen­schaftliche Arbeit, un­abhängig davon, ob er ggf. von Wissen­schaftler_innen ge­schrieben wurde.
Aber es hilft auch nichts, eigene Ein­schätzungen hinter nur scheinbar neutralen Formulierung­en, wie z. B. “meiner Ein­schätzung nach“, zu ver­stecken. Oft ist die Formulierung “Ich bin der Meinung, dass …, weil …” klarer.
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Tipp

Vermeide unnötige Passiv­konstruktion­en, unnötige Nominalisierung­en oder Schachtel­sätze. Wichtige Aus­sagen ge­hören zudem in Haupt­sätze, nicht in Neben­sätze. Strebe immer Präzision an! Statt z. B. des Satzes „Es wurden drei Interviews durch­geführt“ ist der Satz „Ich habe drei leitfaden­gestützte Interviews mit meinen besten Freund­innen durch­geführt“ ehrlicher.
Beachte, dass in der Kultur­anthropologie mit der Technik der Feld­forschung Subjektivität geradezu zur Me­thode erklärt wurde. Wenn du selbst empirisch arbeitest, wirst auch du in den meisten Fällen eine qualitative Unter­suchung durch­führen. Hierbei ist – wie auch bei der Quellen­kritik – die Situierung der Forschend­en wichtig. Dies ist der Grund, warum du deine eigene Situierung an­gemessen reflektieren solltest.
Dennoch sollen deine Dar­legungen inter­subjektiv nach­vollziehbar und über­prüfbar sein. D. h. deine selbst­erhobenen Quellen musst du in ge­eigneter Form den Prüfenden zu­gänglich machen. Grund­sätzlich be­nötigst du für alle Arbeiten:
Icon Stichpunkt
  • einen ge­eigneten theoretischen Kontext.
  • präzise de­finierte Begriffe.
  • ein passend­es methodisch­es Vorgehen.
  • aussage­kräftiges empirisches Material.
  • eine passende Inter­pretation.
  • eine treffende Analyse.
Ziel ist also eine ständige selbst­kritische Haltung gegen­über dem eigenen wissen­schaftlichen Arbeiten, dem selbst produziert­en Wissen, den Er­gebnissen eigener Recherch­en, Inter­pretationen und Analysen und die Offen­heit für kritische Be­wertung durch Mit­studierende und Lehrende.

Einen guten Ein­blick in solches re­flexives wissen­schaftliches Arbeiten bieten Bram­berger und Forster. Eine tiefer­gehende Ein­führungen in Fragen qualitativer Forschung findest du im online ver­fügbaren Hand­buch von Flick, Kardoff und Steinke.

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Tipp

Auch wenn du vor­wiegend qualitativ arbeitest, wirst du ge­legentlich quantitative An­gaben oder Methoden ein­setzen. Statistische An­gaben (also Prozent­zahlen) machen erst ab einem Sample (Stich­probe) von mehr als 1000 Objekten bzw. Per­sonen wirklich Sinn. Beispiels­weise ist die Aussage „30% der Schul­klasse be­werten den Unterricht in Textilem Ge­stalten positiv“ zwar scheinbar wissen­schaftlich, faktisch aller­dings eher unsinnig. Der Satz „7 von 22 Schüler_innen (6 Mädchen und 1 Junge) be­werten den Unterricht in Textilem Ge­stalten positiv“ ist viel auf­schlussreicher.